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Dieser Beitrag ist Teil der Dossier-Reihe aus der Arbeitsgemeinschaft zur Fachkräftesicherung und -entwicklung von Betriebspersonal.
Wie entfacht man Begeisterung für MINT-Fächer? Und wie macht man die berufliche Vielfalt innerhalb dieser Bereiche erlebbar? Indem man sich branchenübergreifend zusammenschließt und interessierten Jugendlichen so ein möglichst breites Spektrum an spannenden MINT-Jobs in einem Zug vorstellt.
Damit die Energiewende gelingt, bedarf es zahlreicher gut ausgebildeter Fachkräfte in der Branche. Die Herausforderung in der Nachwuchssicherung und kontinuierlichen Weiterbildung von Fachkräften hat die Energiewirtschaft erkannt – die Verbände AGFW, BDEW, DVGW, rbv und VDE haben eine Arbeitsgemeinschaft ins Leben gerufen, um Initiativen zur Fachkräftesicherung zu erarbeiten. In Dossiers werden nun Unternehmen und deren Maßnahmen vorgestellt: als Orientierung und Impuls für andere Energieversorgungsunternehmen.
MINT steht als Abkürzung für die Fachbereiche Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Laut dem MINT-Frühjahrsreport 2023 vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln fehlen in Deutschland aktuell rund 305.900 MINT-Fachkräfte. Schaut man sich diese Lücke differenziert nach einzelnen Bereichen an, so gibt es die größten Engpässe bei den Energie- und Elektroberufen mit 88.600 offenen Stellen. Genau diese Fachkräfte werden aber dringend gebraucht, um die Energiewende erfolgreich zu bewältigen. Ebenso wie qualifizierte IT-Expertinnen und IT-Experten. Doch auch im Bereich der IT-Berufe gibt es derzeit rund 50.600 offene Stellen. Obendrein steigt mit dem demografischen Wandel der Ersatzbedarf an MINT-Kräften jährlich um 25.300 und noch immer fehlt es an Mädchen und Frauen in diesem Bereich.
Wie füllt man Fachkräftelücken, sichert die Nachfolge und gewinnt junge Nachwuchskräfte? Indem man dem Fachkräftemangel im MINT-Bereich möglichst früh begegnet und zwar schon in der Schule bzw. in der Berufsorientierungsphase. Denn gerade in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik gibt es viele interessante Jobs mit großen Zukunftspotenzialen.
Genau das wollen Unternehmen der Energiebranche jungen Menschen nahebringen und erlebbar machen. Berufswünsche entwickeln sich aufgrund eigener Stärken und Interessen, unter dem Einfluss von Lehrkräften und Eltern – aber vor allem auch durch Einblicke in spannende Arbeitswelten. Genau solche bietet das von MVV mitorganisierte MINT5-Praktikum.
Fünf Unternehmen haben sich in der Metropolregion Rhein-Neckar zusammengetan, um 20 Schülerinnen und Schülern einen echten MINT-Erlebnisparcours zu bieten. Sie besuchen während ihres Praktikums pro Tag eines der fünf Unternehmen und können dort jeweils in einen Ausbildungsberuf und einen dualen Studiengang aus dem MINT-Bereich reinschnuppern.
Hierfür schauen sie Arbeitstätigen über die Schulter, legen auch selbst Hand an und können sich direkt mit den dortigen Azubis und Studierenden auf Augenhöhe austauschen. Denn diese begleiten an den fünf Tagen die Teilnehmenden vor Ort jeweils von 8:30 bis 14:00 Uhr.
Der Clou an der Sache: Die Jugendlichen lernen während des Praktikums nicht nur einen, sondern zehn verschiedene Berufe näher kennen. Die Auswahl der präsentierten Jobs variiert von Jahr zu Jahr – ganz nach Bedarf der Unternehmen. Neben MVV-Energie beteiligen sich an dem Berufsorientierungsangebot die Unternehmen Roche Diagnostics, John Deere, Freudenberg und Heidelberger Druckmaschinen.
Gut zu wissen
Bei derzeit 324 Ausbildungsberufen und rund 9.000 Bachelorstudiengängen ist die Qual der (Berufs-) Wahl für junge Menschen groß. Das MINT5-Praktikum soll bei der Orientierung helfen und ist zugleich natürlich auch ein wenig Eigenwerbung seitens der Unternehmen.
Das Angebot richtet sich an Schülerinnen und Schüler der Klassenstufen 9 (Realschule) und 11 (Gymnasium). Das Praktikum ist freiwillig und findet immer in den Osterferien statt. Wer mitmacht, opfert also seine Freizeit und ist daher meist auch richtig motiviert und neugierig – und bestenfalls eine potenzielle Nachwuchskraft für eines der Unternehmen. Alle Teilnehmenden erhalten am Ende eine Praktikumsbestätigung für jeweils alle vorgestellten Berufsbilder.
Vor geraumer Zeit haben sich die oben genannten fünf, aus verschiedenen Branchen stammenden Firmen zusammengetan und das „Netzwerk Ausbildung” gegründet. In vertrauensvoller Zusammenarbeit werden in diesem Rahmen aktuelle Herausforderungen wie etwa die Fachkräftesicherung diskutiert und wenn möglich gemeinsam Lösungen gefunden. Hier entstand auch die Idee für das MINT5-Praktikum.
Mit diesem hat man für junge Menschen ein attraktives Angebot in Sachen Berufsorientierung geschaffen. Denn wer hat schon die Chance, in so kurzer Zeit so viele verschiedene Berufe hautnah kennenzulernen? Jedes der Unternehmen vergibt pro Praktikum vier Plätze an zukünftige Schulabgänger:innen aus seinen Partnerschulen. Das MINT5-Praktikum gibt es seit 2017, 80 junge Menschen haben das Angebot bisher genutzt. Nach einer Coronapause fand im April 2023 der fünfte Durchlauf statt.
Für den Erfolg der Maßnahme sprechen die Bewerberzahlen. Zwei Teilnehmende aus dem Jahr 2018 haben nach dem Praktikum bei der Firma Freudenberg eine Ausbildung zur Elektronikerin bzw. zum Elektroniker absolviert und sind heute im Unternehmen tätig. Zudem gab es weitere Bewerbungen und anschließende Ausbildungs- sowie Studienverhältnisse. Das Interesse an dualen Studiengängen war auch im Jahr 2023 wieder groß. „Es gab Teilnehmende, die direkt nachgefragt haben, wann sie sich nach dem Abitur für das duale Studium Energiewirtschaft bewerben können“, berichtet Angela Metzger, die Leiterin Ausbildung und Ideenmanagement bei MVV.
Erklärtes Ziel der Maßnahme ist es, Jugendliche für MINT-Berufe zu begeistern und technische Berufe praktisch erlebbar zu machen. „Wir als Unternehmen können darüber hinaus zeigen, was wir an Möglichkeiten zu bieten haben und uns als attraktiver Arbeitsgeber positionieren. Obendrein gewinnen wir im besten Fall junge Nachwuchskräfte für die MINT-Bereiche“, sagt Angela Metzger. „Wir freuen uns zudem, wenn wir auf diesem Weg auch das Interesse von Mädchen für technische Berufe wecken können.“
Netzwerk gründen! Um gemeinsam mehr zu bewegen, sollten sich Unternehmen in einer Region zusammentun. Nach drei herausfordernden Corona-Jahren ist es derzeit enorm wichtig, die in der Berufsorientierung entstandene Lücke zu schließen – bestenfalls gemeinsam.
Dafür sollte die anvisierte Zielgruppe proaktiv auf möglichst vielen Wegen und Kanälen angesprochen werden: etwa in der Schule, über Praktika, auf Messen, beim Speed-Dating oder im Rahmen von Bewerbungschecks.
„Wirklich hilfreich sind auch persönliche Beratungsgespräche, bei denen die Schülerinnen und Schüler dort abgeholt werden, wo sie individuell sind“, sagt Angela Metzger. Ebenso wichtig sind aber auch Angebote für Lehrkräfte sowie Eltern, da die mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung viel Einfluss auf die berufliche Entwicklung von Jugendlichen haben.
Von der Rhein-Neckar-Region breitet sich die Idee des MINT5-Praktikums mittlerweile erfolgreich in ganz Deutschland aus: in Form der sogenannten Praktikumswoche – also 5 Berufe in 5 Tagen in 5 Unternehmen. In mehr als 95 Regionen Deutschlands können Schülerinnen und Schüler seit 2020 in den Ferien auf diesem Weg spannende Berufe kennenlernen.
„Wir sind stolz darauf, dass unsere regionale Initiative deutschlandweit weiterentwickelt wurde und jungen Menschen damit breitere Möglichkeiten in der Berufsorientierung angeboten werden“, sagt Angela Metzger. Genau das ist nach der Pandemie, in der zwischen Unternehmen und jungen Nachwuchskräften kein Austausch stattfinden konnte, nun umso wichtiger.
MVV aus Mannheim ist ein bundesweit tätiges Energieunternehmen mit über 6.500 Mitarbeitern. In der Metropolregion Rhein-Neckar bietet das Unternehmen jungen Menschen 15 verschiedene Ausbildungsberufe und Studiengänge an.
Angela Metzger, MVV (angela.metzger@mvv)