Man lernt nie aus – das hat sich auch Andreas gesagt und neben seinem Job bei der Energieversorgung Limburg (EVL) berufsbegleitend den Master Netztechnik und Netzbetrieb an der Ostfalia studiert.
Strom, Wasser und Gas – viele Versorgungsunternehmen in der Energie- und Wasserwirtschaft sind Mehrspartenunternehmen. Konkret heißt das: Die Fachkräfte in der Netzplanung und im Netzbetrieb sind oftmals übergreifend für alle Sparten zuständig. Das bedeutet aber auch, dass sie Medien betreuen, die nicht zwangsläufig Teil ihrer Ausbildung oder ihres Studiums sind.
Um die Ingenieur:innen aus dem Netzmanagement besser auf den erweiterten Aufgabenbereich vorzubereiten bzw. weiterzubilden, bietet die Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften in Abstimmung mit den Verbänden DVGW und VDE einen akkreditierten berufsbegleitenden Masterstudiengang für Netztechnik und Netzbetrieb (M.Eng.) an.
Analog zu den Ingenieur:innen aus der Gas- und Wasserversorgung, die im Bereich Stromversorgung weitergebildet werden, erweitern die Ingenieur:innen aus der Stromversorgung ihr Fachwissen im Bereich Gas und Wasser.
Andreas Doß hat sich neben seinem Beruf für ein Studium in „Netztechnik und Netzbetrieb“ entschieden. Foto: Ostfalia
Zu den Absolventen, die den Masterstudiengang bereits erfolgreich abgeschlossen haben, gehört Andreas Doß. Der 53-Jährige hat nach dem Abitur Elektrotechnik und im Aufbaustudium Energiewirtschaft studiert, um in der Versorgungstechnik zu arbeiten.
„Nach dem Studium habe ich bei einem Energieversorger in Darmstadt in der Energieberatung gearbeitet. Über die Jahre sind noch mehr Aufgaben dazu gekommen – unter anderem ein Lehrauftrag an der Hochschule in Darmstadt – bevor ich 2016 zur EVL kam“, fasst Andreas seinen Werdegang zusammen.
Während seiner beruflichen Tätigkeiten lag der Fokus zwar immer auf der Stromversorgung, die Medien Gas und Wasser haben aber immer mehr Einzug in Andreas‘ Aufgabenbereich im Störungsmanagement gefunden. Bei der EVL ist Andreas Leiter Bau und Betrieb für die Gewerke Strom, Wasser, Gas und Fernwärme.
Darum hat sich Andreas in diesem Karriereabschnitt noch einmal für ein Studium entschieden: „In meiner Position bin ich eine technische Führungskraft und es ist vom DVGW vorgesehen, dass man als solche auch die entsprechende Ausbildung hat. Deswegen habe ich mich über meine Möglichkeiten informiert und bin auf den Studiengang Netztechnik und Netzbetrieb gestoßen.“
Der Studiengang Netztechnik und Netzbetrieb ist ein weiterbildender Studiengang. „Die Studierenden haben ein Bachelorstudium absolviert, befinden sich bereits im Berufsleben und bilden sich jetzt weiter“, erklärt Studiengangsleiter Professor Jens Wagner. Berufserfahrung ist eine der entscheidenden Voraussetzungen, um zum Studium zugelassen zu werden. Mindestens ein Jahr müssen die Studierenden Berufspraxis haben.
Das Studium ist in zwei Studienjahre unterteilt: Im ersten Studienjahr liegt der fachliche Fokus auf der Netztechnik, die im Erststudium nicht behandelt wurde. Im Fall von Andreas Doß ist das die Gas- und Wasserversorgung. Wie funktioniert die Wasserversorgung vom Rohwasser bis zum Wasserhahn? Wie funktioniert die Gasversorgung? Was gibt es beim Transport und bei der Verteilung von Gas zu beachten? Mit diesen Fragen beschäftigten sich Andreas und seine Kommiliton:innen während ihres Studiums.
Analog dazu lernen die Studierenden mit einem Gas- und Wasserhintergrund, wie eine Stromversorgung aufgebaut ist und vertiefen ihr Wissen in der Elektrotechnik.
Die Lehrveranstaltungen finden in Blöcken statt, um das berufsbegleitende Präsenzstudium zu ermöglichen. Nach einem Jahr erhalten die Studierenden das Verbändezertifikat, das die erbrachten Leistungen bestätigt und sie als technische Fachkraft nach 1a bzw. als technische Führungskraft 2a des Qualifikationsrahmen für den Erwerb und die Sicherung von technischer Handlungskompetenz zertifiziert.
Wahlweise können die Absolvent:innen noch ein weiteres Jahr studieren, um den Master zu erlangen, der gleichwertig zu allen Masterabschlüssen ist. Die Studieninhalte im zweiten Jahr behandeln übergeordnete Themen der Netztechnik wie die technische Sicherheit oder gekoppelte Energiesysteme. Einen großen Lehrblock nehmen auch Netzmanagement und Netzregulierung ein, damit die Studierenden die gesetzlichen Vorgaben kennen und anwenden können.
Einen besseren Qualifizierungsstudiengang kann man in der Energiewirtschaft gar nicht machen. Für mich ist das eine Motivation, die ich gerne an jüngere Kolleg:innen weitergebe, weil man viel mehr Perspektiven hat.
Andreas Doß
Netzingenieur
Dass die Studierenden in dem berufsbegleitenden Masterstudiengang einen anderen Background als Studierende eines konsekutiven Masterstudiengangs haben, zeigt sich auch beim Aufbau des Studiengangs.
Eine Woche im Monat kommen die rund zehn Studierenden nach Wolfenbüttel, besuchen Vorlesungen und nehmen an weiteren Lehrveranstaltungen teil, bevor es dann wieder zurück in den Berufsalltag geht. Dort steht allerdings nicht nur der typische Arbeitsalltag auf dem Programm, sondern auch die Vorbereitung auf die Klausur, die jeweils im nachfolgenden Block geschrieben wird.
Für Andreas Doß in jedem Fall die beste Lösung: „Hätte ich jedes Wochenende nach Wolfenbüttel fahren müssen, um freitags und samstags die Veranstaltungen zu besuchen, dann wäre es daran wohl gescheitert. Ich habe insgesamt über 400 Kilometer zu fahren und das wäre nicht gegangen.“
Auch ein Onlinestudium kam für ihn nicht infrage. Für ihn ist es ein Vorteil, sich direkt mit seinen Kommiliton:innen und den Professor:innen auszutauschen. „Ich bin ein Freund der Präsenz“, sagt Andreas.
Man darf nicht vergessen, dass die Kolleginnen und Kollegen alle im Berufsleben stehen. Im Onlinestudium tritt dann schnell der Fall auf, dass sie sich dem Tagesgeschäft nicht entziehen können und Vorlesungsinhalte verpassen. Wir sehen da Qualität vor Komfort.
Prof. Dr.-Ing. Jens Wagner
Dekan der Fakultät Versorgungstechnik
Professor Wagner berichtet, dass der Wunsch nach Blockveranstaltungen von vielen Studierenden geteilt wird: „Bis vor einigen Jahren war es üblich, dass die Vorlesungen nur donnerstags und freitags abgehalten wurden. Das war für uns etwas einfacher zu organisieren. Der Wunsch nach Blockveranstaltungen kam immer wieder von den Studierenden und ich finde es gut, dass wir uns diesbezüglich an die Studierenden anpassen können.“
Wie viel von den Studieninhalten sind Andreas schon aus seiner beruflichen Praxis vertraut? Die Frage ist für den 53-Jährigen gar nicht so leicht zu beantworten. „Gerade am Anfang gab es Themen, in die ich mich neu reindenken musste, wie beispielsweise Strömungslehre oder ganz allgemein Berechnungen. Das fiel mir nicht einfach in den Schoß“, erzählt Andreas.
Einfacher war für ihn dann das zweite Studienjahr, in dem eher die organisatorischen Themen wie Arbeitssicherheit oder TSM (Technisches Sicherheitsmanagement) behandelt wurden. Aspekte, die zu seiner täglichen Arbeit gehören.
Man weiß nie genau, welchen Teil des Studiums man für seine tägliche Arbeit benötigt. Aber man benötigt immer ein Grundverständnis und das versuchen wir zu vermitteln.
Prof. Dr.-Ing. Jens Wagner
Dekan der Fakultät Versorgungstechnik
Das Studium zum Netzingenieur ist dennoch kein theoretischer Grundlagenkurs. Weil die Studierenden bereits aus ihrem Beruf viel Praxiswissen mitbringen, ist der Diskurs ein anderer. „Wir bilden für die Praxis aus. Das heißt wir wählen unsere Praxisbeispiele anhand der Relevanz für die Studierenden aus. Das spiegelt sich beispielsweise in Berechnungen wider, die wir in den Vorlesungen durchführen“, berichtet Professor Wagner.
Neben den Vorlesungen gibt es auch praktische Abschnitte im Labor oder Exkursionen zu Anlagen der Wasser-, Gas- und Stromversorgung. Eine große Bandbreite, um den Studierenden die theoretischen Inhalte auch praktisch zeigen zu können.
Darüber hinaus orientiert sich das zweite Studienjahr deutlich mehr an der Praxis. Im letzten Semester finden keine Präsenzveranstaltungen mehr statt, sondern die Studierenden erarbeiten eine Projektarbeit und schreiben die Masterarbeit, die dann aus dem Umfeld des jeweiligen Unternehmens kommt.
In seiner Projektarbeit hat sich Andreas mit der Frage beschäftigt, wie die Wasserversorgung in Limburg aufrechterhalten werden kann, wenn einer der Grundwasserbrunnen infolge eines Brückenneubaus abgeschaltet wird. Für seine Masterarbeit hat Andreas eine Fragestellung aus dem Gasbereich gewählt und thematisiert, wie Energieversorger bei Gasknappheit reagieren müssen.
Die Studierenden des Studiengangs „Netztechnik und Netzbetrieb“ auf Exkursion im Oberharzer Wasserregal. Foto: Ostfalia
Ein Vorteil des Studiums ist die Auswahl der Lehrbeauftragten, die ebenfalls aus dem technischen Bereich kommen und Erfahrungswerte aus ihrem Unternehmen teilen. Der Kontakt bleibt auch nach dem Studium erhalten. Neben der Abschlussveranstaltung gibt es jedes Jahr ein Netzwerktreffen, das zum Austausch einlädt.
„Die Kommunikation ist eine ganz andere. Da wir aus den verschiedensten Unternehmen kommen – große Konzerne oder kleinere Unternehmen – gibt es unterschiedliche Fragestellungen. Es ist immer interessant zu hören, was Kolleg:innen aus anderen Unternehmen bewegt“, fasst Andreas zusammen.
Regelmäßig findet für die Studierenden ein Stammtisch statt. Foto: Ostfalia
Da die EVL eine technische Führungskraft im Bereich Gas und Wasser benötigte, finanzierte das Unternehmen Andreas den gesamten Studiengang. Das betraf nicht nur die Studiengebühren, sondern auch die Kosten für Übernachtung und Co. Keine Selbstverständlichkeit findet Andreas: „In vielen Fällen übernehmen die Unternehmen die Kosten für das Studium bis zum Verbändezertifikat. Das zweite Studienjahr wird eher als persönliche Weiterbildung betrachtet. Bei mir war das zum Glück anders – die EVL hat voll dahintergestanden.“
Die Unternehmen in der Branche unterstützen und fördern ihre Mitarbeitenden. Die meisten Arbeitgeber lassen daher eine sinnvolle und angemessene Großzügigkeit walten. Schließlich sind gut qualifizierte Mitarbeitende auch in ihrem Interesse.
Prof. Dr.-Ing. Jens Wagner
Dekan der Fakultät Versorgungstechnik
„Auf jeden Fall“, sagt Andreas. „Für diejenigen, die als technische Führungskraft arbeiten möchten, ist die Qualifikation im Prinzip ein Muss. Aber auch für die persönliche Weiterentwicklung bringt das Studium viel.“ Auch die Chancen auf dem Arbeitsmarkt sind höher, da die Absolvent:innen des Studiengangs noch flexibler in ihren Einsatzmöglichkeiten sind. Ein Grund, warum Andreas bei der EVL auch schon den Nachwuchs im Unternehmen im Blick hat, um ihnen den Studiengang zu empfehlen.
Short Facts
Abschluss: Master of Engineering (M.Eng.)
Studienbeginn: zum Wintersemester
Regelstudienzeit: 2 – 4 Semester berufsbegleitend
Voraussetzung: Abgeschlossenes Studium (Diplom oder Bachelor) in einem Studium der Strom-, Gas- oder Wasserversorgung und einschlägige Berufserfahrung im Netzbereich der Ver- oder Entsorgungswirtschaft von mindestens 1 Jahr
Zulassungsbeschränkung: zulassungsbeschränkt, NC
Bei Fragen zum Studiengang
Studiengangsleiter: Prof. Dr.-Ing. Jens Wagner
jens.wagner@ostfalia.de