Ausbildung in Zeiten von Corona

In unserer ersten Podcast-Folge sprechen wir darüber, wie sich die Ausbildung in den Unternehmen durch die Corona-Pandemie verändert hat. Wir wollen u. a. wissen, ob die Ausbildungschancen in der Energie- und Wasserwirtschaft durch Corona beeinflusst werden und wie die Unternehmen ihren Auszubildenden auch in diesen Zeiten ein Gefühl der Sicherheit und Struktur geben können.

Berufsweltenbummler ist ein  gemeinsamer Podcast der Berufswelten Energie & Wasser und der Fachzeitschrift DVGW energie | wasser-praxis.

Unser Gast in dieser Folge

Daniel Plötz ist seit 2015 Abteilungsleiter für Personal und Ausbildung bei der Avacon Netz GmbH, einem regionalen Strom- und Gasnetzbetreiber. Er ist hier für rund 270 Auszubildende verantwortlich, die an insgesamt sechs Standorten ausgebildet werden. Er wirkt außerdem aktiv im Kompetenzfeld Ausbildung der E.ON-Gruppe mit und er engagiert sich für die Themen Aus- und Weiterbildung in einem verbändeübergreifenden Gremienverbund.

Corona als Booster für Digitalisierung in der Ausbildung

Corona hat nicht nur einen großen Fortschritt beim Einsatz digitaler Tools und Techniken gebracht, sondern vor allem die Haltung der Menschen gegenüber dem Thema Digitalisierung verändert. Im Gespräch berichtet Daniel Plötz, dass die Bereitschaft in der Belegschaft und bei den Azubis, Neues auszuprobieren und Digitalisierungsthemen anzugehen, viel größer geworden ist. Corona habe daher einen Weg aufgezeigt, die Chancen der Digitalisierung konsequent zu nutzen. Gleichzeitig gilt es, die Selbstlernkompetenz der Azubis und die Gemeinschaft im Home-Office zu fördern.

Wir vermuten, dass die Generation selbstverständlich mit den digitalen Medien umgeht, das stimmt zwar auch, aber das Kontaktverhalten ist ein anderes. Das freiwillige „Ich rufe da jetzt mal an und frage meinen Kollegen, wie es ihm geht“, die sogenannten Pausengespräche, finden zuhause nicht statt.

Die größte Herausforderung: Fachpraxis vermitteln und erhalten

Wie kann man Praxis zuhause im Homeoffice vermitteln? Gar nicht. Gerade im Bereich der technisch-gewerblichen Ausbildungen ist der Ausbildungsalltag deshalb schwieriger geworden. Werden dennoch alle Ausbildungsziele erreicht?

Unternehmen und Verantwortliche sind in der Pflicht, genau hinzuschauen und die notwendige Reife des Fachwissens zu betrachten. Bereits heute leitet Daniel Plötz ab, dass nach der Erstausbildung individuelle Entwicklungspläne in Form von Fort- und Weiterbildungen gestaltet werden müssen, um die jungen Menschen sicher und mit allem nötigen Wissen in die Anlagen zu schicken.

Hybride Modelle werden die Zukunft der fachpraktischen Ausbildung sein.

Virtual-Reality-Projekte sind bei Avacon ein Beispiel, wie die Digitalisierung in der Pandemie-Zeit für das Lernen auf Distanz genutzt werden kann. Indem Baustellen und Arbeitseinsätze gefilmt und in Virtual-Reality-Projekte überführt werden, kann ein gewisses Maß an Fachpraxis und vor allem ein Gefühl davon vermittelt werden, was ein Monteur vor Ort überhaupt macht. Auch grundlegende Aufgaben können im Rahmen von virtuellen Projekten geschult werden.

Aber: Auch das ersetzt nicht das Lernen vor Ort, bei Wind und Wetter und mit dem Werkzeug in der Hand. Ausbildungsprozesse müssen deshalb neu gestaltet werden. Welche Inhalte können im Home-Office vermittelt werden und welche nur im Betrieb und in der Werkstatt? Die Ausbildung der Zukunft wird ein hybrides Modell, in der virtuelle Medien in Ergänzung zur fachpraktischen Ausbildung vor Ort eingesetzt werden.

Sind die Ausbildungschancen durch Corona schlechter geworden?

Die Corona-Krise führt zu einer wachsenden Verunsicherung junger Menschen im Hinblick auf die Situation am Ausbildungsmarkt. Laut einer Bertelsmann-Studie beklagen mehr als 70 Prozent der 14- bis 20-Jährigen in Deutschland, dass sich die Chancen auf dem Ausbildungsmarkt durch Corona verschlechtert haben. Bundesweit und branchenübergreifend mag das sein, doch ist das auch in der Energie- und Wasserwirtschaft so?

Nein! Nicht nur die Ausbildungsplätze in der Energie- und Wasserwirtschaft sind zukunftssicher, auch die Übernahmechancen steigen.

Im Gegenteil: Allein bei Avacon sollen in den nächsten Jahren nur bedingt durch Renteneintritte 400 bis 500 Stellen neu besetzt werden. Rechnet man das auf die gesamte Energie- und Wasserwirtschaft hoch, wird klar, was für ein Bedarf die Branche insgesamt hat.

Und die Branche kann noch mit einem weiteren Alleinstellungsmerkmal punkten: Die Jobs sind krisensicher und dauerhaft gefragt. Ein Pfund, dass im Ausbildungsmarketing unbedingt genutzt werden sollte.

Interessante Links zu dieser Folge

Bertelsmann-Studie

Eine aktuelle Bertelsmann-Studie hat ergeben: Die Mehrheit der Jugendlichen fürchtet durch die Corona-Pandemie um ihre berufliche Zukunft.

Umfrage

Wie fühlen sich Auszubildende in der Corona-Krise? Avacon hat dazu eine Umfrage gestartet.

Ausbildungsmarketing ist zum strategischen Thema geworden

Die klassischen Säulen im Recruiting wie Messen und Praktika-Angebote sind weggebrochen. Avacon setzt deshalb mittlerweile stark auf Social Media und konnte die Bewerbungsquote sogar erhöhen!

Die Empfehlung von Daniel Plötz: ein guter Mix aus eigenen authentischen Beiträgen, Influencer-Programme, In-App-Werbung und vor allem eine dauerhafte, dynamische und flexible Präsenz, um die Branche und das Unternehmen immer wieder in das Bewusstsein der jungen Zielgruppe zu bringen.

Neue Wege im Ausbildungsmarketing: zwei Beispiele von Avacon

Digitales Onboarding

Der Bewerbungszeitraum wurde bei Avacon auf das ganze Jahr ausgedehnt. Sobald eine Bewerbung eingeht, erhält der oder die Bewerber:in den Zugang zu einem Online-Test. Die schnelle Reaktionsmöglichkeit schafft eine frühe Bindung.

Ist die Person geeignet, wird ebenfalls kurzfristig ein persönliches Kennenlernen z. B. via Teams vereinbart. Das Gespräch hat keine feste Struktur. Es geht darum, sich kennenzulernen und dem jungen Menschen möglichst viel über das Unternehmen und die Ausbildungsphilosophie zu vermitteln.

Die jungen Leute werden auch gleich in die Social-Media-Kanäle eingeladen, die ebenfalls ein wichtiges Mittel zur Kommunikation und Bindung unter den Azubis sind.

Digitaler Zukunftstag auf Instagram

Der Zukunftstag war schon immer ein bedeutsamer Tag für das Recruiting bei Avacon. 2021 wurde der Zukunftstag kurzerhand vom Unternehmenssitz auf Instagram verlegt.

Dabei machte sich das Avacon-Team das ganz natürliche Online-Verhalten der jungen Zielgruppe zunutze. Die Follower konnten live mit den Ausbilder:innen chatten und sich über das Unternehmen und die Ausbildungsmöglichkeiten informieren.

Ein voller Erfolg: Während bei den Präsenz-Veranstaltungen meist 20 bis 25 Personen vor Ort waren, machten bei dem digitalen Format rund 150 Follower mit und beteiligten sich rege an dem fast 2-stündigen Dialog.