Mitarbeitende motivieren und unterstützen

Fachkräfte fördern und halten

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Wie reagiert man auf erhöhten Nachfolgebedarf in Zeiten von Fachkräftemangel? Und qualifiziert seine Belegschaft so, dass die Energiewende gemeistert werden kann? Indem man Mitarbeitende motiviert und unterstützt, sich fachlich weiterzuentwickeln und zukunftsfähig aufzustellen.

Dieser Beitrag ist Teil der Dossier-Reihe aus der Arbeitsgemeinschaft zur Fachkräftesicherung und -entwicklung von Betriebspersonal.

Neue Herausforderungen, neue Strategie

Im Herbst 2018 führte Westfalen Weser (WW) eine Demografie-Analyse durch. Die ergab: Bis 2025 wird das damals 850-mitarbeiterstarke Unternehmen 90 Meister verlieren. Deren Stellen müssen neu besetzt werden. Aber nicht nur das. Im Zuge der Energiewende stehen das Unternehmen wie auch seine Beschäftigten vor weiteren neuen Herausforderungen. Eine Entwicklung der WW bis 2025 vom traditionellen Netzbetreiber zum Systemstabilisator und bis 2030 zum Plattformanbieter für digitale Transaktions-Services wurde eingeleitet.

Um das zu realisieren, braucht es mehr und vor allem entsprechend qualifiziertes Personal. Wie gewinnt man das? Und wie deckt man obendrein seinen akuten Nachfolgebedarf bei den derzeitigen Fachkräftelücken? Mit einer Strategie, die zwei wichtige Ziele verfolgt: Mitarbeiterbindung und Mitarbeitergewinnung.

Arbeitsgemeinschaft zur Fachkräftesicherung und -entwicklung von Betriebspersonal

Damit die Energiewende gelingt, bedarf es zahlreicher gut ausgebildeter Fachkräfte in der Branche. Die Herausforderung in der Nachwuchssicherung und kontinuierlichen Weiterbildung von Fachkräften hat die Energiewirtschaft erkannt – die Verbände AGFW, BDEW, DVGW, rbv und VDE haben eine Arbeitsgemeinschaft ins Leben gerufen, um Initiativen zur Fachkräftesicherung zu erarbeiten. In Dossiers werden nun Unternehmen und deren Maßnahmen vorgestellt: als Orientierung und Impuls für andere Energieversorgungsunternehmen.

Herausforderungen erkennen und anpacken

Die neue Strategie sollte bestehende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gezielt fachlich fördern und zur Weiterbildung animieren und zugleich den Ruf von Westfalen Weser als attraktiver Arbeitgeber verbessern. So sollten dann auch neue Talente begeistert und gewonnen werden. Gesucht war ein Instrument, das neben der strukturierten Nachfolgeplanung Anreize für Mitarbeiter schafft, sich beruflich weiterzuentwickeln.

Das Ergebnis sind die „Grundsätze Fort- und Weiterbildung in der WW-Gruppe“. War im Unternehmen bislang die Mitarbeiterförderung ganz unterschiedlich oder gar nicht geregelt, gab es nun erstmals ein für alle Beschäftigten einheitliches Konzept mit verlockenden Konditionen: wie etwa der Kostenübernahme oder -beteiligung und Freistellung durch das Unternehmen. Die Grundsätze wurden im Mai 2019 veröffentlicht und haben seitdem ein hohes Interesse in der Belegschaft entfacht.

Die vier Kernziele

  • Mitarbeitende bei ihrer fachlichen Entwicklung unterstützen.
  • Mitarbeitende motivieren, ihre Fachkompetenz weiter auszubauen.
  • Das fachliche Niveau im Unternehmen erhöhen.
  • Für neue Themenfelder im Rahmen der Energiewende qualifizieren.

Und so funktioniert es

Grundsätzlich unterscheidet WW vier verschiedene Entwicklungsmaßnahmen: die Fortbildung, die Mehrspartenqualifizierung, die Aufstiegsqualifizierung und die allgemeine Weiterbildung (mit betrieblichem Interesse). Erfordert der bestehende Job eine Fortbildung oder qualifiziert sich der Mitarbeitende für eine zusätzliche Sparte wie Strom, Gas etc. (Mehrspartenqualifizierung), übernimmt WW sämtliche Kosten und die Freistellung für diese Maßnahmen.

Ermöglicht die Maßnahme einen beruflichen Aufstieg – etwa zum Meister – teilen sich das Unternehmen und der Mitarbeitende die erforderlichen Investitionen. Warum? Weil bei einer fachlichen Aufstiegsqualifizierung nicht nur der Arbeitgeber, sondern letztlich auch die Beschäftigten profitieren: indem sie eine Karrierestufe höher klettern, künftig mehr verdienen und sich langfristig einen Arbeitsplatz in einer systemrelevanten Branche sichern. Das bedeutet: Jeder investiert etwas, aber jeder hat am Ende auch etwas davon.

Ein Beispiel aus der Praxis

Möchte sich also ein Mitarbeitender zum „Geprüften Netzmeister Strom“ qualifizieren, unterstützt ihn das Unternehmen dabei: indem es 50 % der Maßnahmenkosten übernimmt und ihm 50 Freistellungstage genehmigt. Die andere Hälfte der Kosten zahlt der Mitarbeitende, nutzt wenn noch nötig seinen Urlaub oder den Gleitzeitausgleich und verpflichtet sich vor allem, ein Aufstiegs-BaföG oder bei Bachelor bzw. Master ein Stipendium zu beantragen. Aus gutem Grund, denn das Aufstiegs-Bafög deckt aktuell 75 % der gesamten Maßnahmenkosten ab. So wird der 50-prozentige Kostenanteil des Unternehmens direkt vom Staat übernommen und der Beschäftigte zahlt nur noch 25 % der anfallenden Maßnahmenkosten. Alle Interessierten erhalten natürlich Hilfe bei der Antragstellung und alle dafür nötigen Stellungnahmen oder Bewilligungen.

Eine echte Win-Win-Situation

Die Botschaft hinter der Strategie: Mitarbeitende sind dem Unternehmen wichtig und deshalb investiert es in sie! So lassen sich die altersbedingt frei werdenden Stellen planbar und nachhaltig besetzen. Auf diesem Weg bringt WW seinen Mitarbeitenden aber auch viel Anerkennung und Wertschätzung entgegen. Und investiert ein Unternehmen so in seine Beschäftigten und deren Karriere, spricht sich das rum und wirkt positiv nach außen.

Das eigentliche Erfolgsrezept dieser Maßnahme aber ist, als Unternehmen nicht nur die Anreize zu schaffen, sondern seine Mitarbeitenden auch in die Pflicht zu nehmen: indem sie finanziell an ihren eigenen Maßnahmenkosten beteiligt sind. So sind sie deutlich stärker motiviert, diese auch erfolgreich abzuschließen. Dass der Plan aufgeht, belegen die Zahlen der letzten Jahre.

Der Erfolg der Maßnahme in Zahlen

Seit 2019 haben 85 Mitarbeitende bei WW die Chance genutzt, eine vom Unternehmen geförderte Maßnahme zu absolvieren. Das sind rund 10 % der aktuell 1000-köpfigen Stammbelegschaft (ohne Auszubildende) in gerade einmal vier Jahren. Alle Teilnehmenden haben erfolgreich bestanden, alle Maßnahmen waren sogenannte Aufstiegsqualifizierungen.

Schaut man sich die Maßnahmen detailliert an, so dominieren hier natürlich die branchenweit gefragten Netzmeister (49), gefolgt von Master-Studien (17). Speziell die Masterförderung wurde mit den „Grundsätzen Fort- und Weiterbildung“ komplett neu eingeführt. Und die Absolventenzahlen sprechen für sich, ebenso wie die fachliche Bandbreite der Abschlüsse: Diese reicht vom Wirtschaftsingenieurwesen mit Schwerpunkt Technik über Wirtschaftsrecht bis hin zu Business Consulting & Digital Management.

Will man die Herausforderungen der Energiewende meistern, braucht es genau diese breite Vielfalt an hoher Fach-Expertise. Diejenigen, die sich zum Meister qualifizieren, haben in der Regel schon während der Maßnahme ihre neue Stelle sicher: und zwar per Nachfolge- und Entwicklungsvereinbarung. Es lohnt sich also sowohl für die Beteiligten als auch für das Unternehmen.

Zusammengefasst hat die WW in 85 Beschäftigte investiert, dafür Freistellungstage zur Verfügung gestellt und Maßnahmenkosten anteilig übernommen. Aber das Wichtigste ist die aufgebaute Motivation und Fachexpertise der Geförderten, die sie in das Unternehmen tragen.

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Aufstieg über den kurzen Dienstweg

Egal ob Bachelor, Meister oder Master: Wer sich beruflich weiterentwickeln möchte, wendet sich direkt an den Bereich Aus- und Fortbildung. In einem kurzen Erst-Gespräch wird hier geklärt, welche Möglichkeiten es gibt und welche Eckdaten es für den Abschluss einer Fördervereinbarung braucht: von Zeitraum und Länge der Fortbildung über Maßnahmenkosten bis hin zu den nötigen Freistellungstagen. Ist alles beisammen, wird eine Fördervereinbarung aufgesetzt und vom Beschäftigten, seiner Führungskraft und dem Personalbereich unterschrieben. Und dann kann es auch direkt losgehen.

Das neue Instrument sollte leicht verständlich, einfach händelbar und unkompliziert umzusetzen sein. Deshalb gab es keine Betriebsvereinbarung, sondern die „Grundsätze Fort- und Weiterbildung“. Diese findet jeder Mitarbeitende leicht zugänglich im Intranet. Für alle Interessierten gibt es eine anschauliche Übersicht direkt hier zum Nachlesen – oder als Inspiration zur Fachkräftesicherung.

Westfalen Weser

WW (Westfalen Weser) mit den zwei Hauptstandorten Paderborn und Herford ist ein kommunaler und regionaler Netzbetreiber. Das Unternehmen beschäftigt aktuell rund 1.000 Mitarbeitende und knapp 80 Auszubildende und dual Studierende.

Burkhard Thiele, Leiter für Aus- und Fortbildung, Westfalen Weser (burkhard.thiele@ww-energie.com)

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