Der demografische Wandel und der daraus resultierende Fachkräftemangel stellt die Unternehmen vor große Herausforderungen. Die beruflichen Perspektiven in der Wasserwirtschaft und die Qualität moderner Arbeitgeber sind bei vielen Jugendlichen zu wenig bekannt. Vor diesem Hintergrund untersucht die aktuelle BDEW-Jugendstudie die Anforderungen junger Menschen an Berufe und Arbeitgeber der Wasserwirtschaft. Im Auftrag des BDEW-Fachausschusses Öffentlichkeitsarbeit Wasser / Abwasser hat das Marktforschungsinstitut prolytics die Studie erstellt und Ende 2024 die Ergebnisse präsentiert.
Die BDEW-Jugendstudie besteht aus zwei Teilen: einem Desk Research, in dem 38 bestehende Studien und Fachpublikationen zu zentralen Motivatoren für die Studien- und Berufswahl junger Menschen ausgewertet werden, und einer auf diesen Ergebnissen aufbauenden Befragung von 3.200 Jugendlichen in der Berufsorientierungsphase zu ihren für die Unternehmen der Wasserwirtschaft relevanten Interessen, Werten und Wünschen.
Ziel der Studie ist es, herauszufinden, wie junge Menschen, die sich für einen Beruf im technischen Bereich interessieren, erfolgreich von der Wasserwirtschaft angesprochen werden können. Die Frage „Welche Gruppen junger Menschen sind mit welchen Argumenten über welche Medien und mit welchen Angeboten zu erreichen?“ steht demnach immer im Hintergrund und soll von der Studie beantwortet werden.
Am Anfang der BDEW-Jugendstudie stand ein Desk Research, der bestehende Jugendstudien und andere Quellen aus dem Zeitraum 2016 bis 2024 untersucht. Daraus resultieren bereits einige wertvolle Erkenntnisse, die im zweiten Teil der Studie weiterverfolgt und teilweise bestätigt werden konnten.
Zunächst wurde im Desk Research ermittelt, dass junge Menschen eine heterogene Gruppe darstellen, deren Berufs- und Studienwahl von unterschiedlichen Eigenschaften abhängen. Besonders die Aspekte Ausbildungsstatus, Gender, Lebensumfeld und Wertorientierung beeinflussen die Motive in der Berufswahl.
Des Weiteren lassen sich laut der untersuchten Jugendstudien drei wesentliche Motivatoren feststellen, die junge Menschen bei der Berufs- und Studienorientierung beeinflussen: Dies sind intrinsische, extrinsische und interpersonelle Motivatoren.
Intrinsische Motivatoren
Extrinsische Motivatoren
Interpersonelle Motivatoren
Wie beeinflussen diese Motivatoren nun die Berufs- und Studienwahl junger Menschen? Die Ergebnisse aller Quellen wurden in der Desk Research gesammelt ausgewertet und liefern einige Erkenntnisse.
So ergeben die Studien, dass die meisten jungen Menschen eine „bürgerliche Normalbiografie“ mit stabilem Job, Familie und materieller Unabhängigkeit anstreben. Arbeitsplatzsicherheit, Work-Life-Balance und Gehalt gelten durch alle untersuchten Studien hindurch als wichtigste Aspekte.
Ein weiterer zentraler Aspekt ist die Überforderung der jungen Menschen in der Berufsorientierungsphase angesichts der Menge an Informationen und Möglichkeiten. Am hilfreichsten werden soziale Schnittstellen, also Eltern, Freund*innen und Praktika, wahrgenommen.
Aus dem Desk Research können bereits einige Schlussfolgerungen für die Wasserwirtschaft gezogen werden. Besonders in den Bereichen Sinnstiftung, Arbeitsplatzsicherheit und Heimatnähe sind die Arbeitgeber der Branche gut aufgestellt und auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind in der Wasserwirtschaft gut möglich. Verstärkte Kooperationen mit Schulen und Universitäten können zudem die Sichtbarkeit der Wasserwirtschaft als Arbeitgeber steigern und früh potenzielle Nachwuchskräfte binden.
Im zweiten Teil der BDEW-Jugendstudie wurde eine Befragung unter 30-Jähriger durchgeführt, die im technischen oder naturwissenschaftlichen Bereich beruflich tätig sind oder es werden wollen. Insgesamt wurden 3.200 Interviews mit Schüler*innen, Auszubildenden, Hochschüler*innen und Berufseinsteigenden geführt.
Verteilung der Interviews
Methodik
Feldzeit
Primäre Inhalte
Demographische Merkmale der Befragten, Quelle: prolytics, BDEW-Jugendstudie
Attraktivität der Wasserwirtschaft als Arbeitgeber
Die Befragung ist in unterschiedliche Bereiche unterteilt. Der erste Bereich umfasst die Bekanntheit und Attraktivität der Wasserwirtschaft als Arbeitgeber. Auffällig ist dabei, dass zwar einige Jugendliche den in ihrer Region zuständigen Wasserversorger kennen, andere Unternehmen der Wasserwirtschaft allerdings nicht bekannt sind. Eine genauere Kenntnis oder ein Interesse an wasserwirtschaftlichen Ausbildungsberufen und Studiengängen ist kaum vorhanden. Grundsätzlich ist die Wasserwirtschaft für junge Menschen aber nicht unattraktiv, so halten 44,2 % der Befragten eine Beschäftigung in der Branche für attraktiv.
Attraktivität der Wasserwirtschaft als Arbeitgeber, Quelle: prolytics, BDEW-Jugendstudie
Informationsverhalten
Im Bereich Informationsverhalten fällt auf, dass sich nur etwa die Hälfte der Jugendlichen umfangreich über Berufe und Arbeitgeber informiert hat. Als Quellen werden dabei sowohl das Internet und Social Media zur Berufsorientierung zu Rate gezogen als auch Praktika, Freund*innen und Eltern. Ein hohes Interesse besteht an analogen Informationsangeboten der Wasserwirtschaft, allen voran Gespräche mit Gleichaltrigen, die ihre Berufe vorstellen, Praktika oder Werkstudierendenangebote.
Zum Blättern Pfeile verwenden: Nutzung und Nützlichkeit von Informationsquellen zur Berufsorientierung, Quelle: prolytics, BDEW-Jugendstudie
Anforderungen an Beruf und Arbeitgeber
Zu den Anforderungen junger Menschen an Beruf und Arbeitgeber lässt sich grundsätzlich sagen, dass vor allem Karriere, Wohlstand und Work-Life-Balance wichtig sind. Aber: Die Gruppe der Jugendlichen ist nicht homogen. Hinsichtlich der Präferenz des Berufes und Arbeitgebers lassen sich fünf Typen von Jugendlichen mit unterschiedlichen Anforderungsprofilen identifizieren. Nach der Größe der Typen innerhalb der Befragung geordnet, sind dies Berufe und Arbeitgeber,
Wichtigste Anforderungen an Beruf und Arbeitgeber der fünf „Typen“, Quelle: prolytics, BDEW-Jugendstudie; Grafiken: lituspro / Faiaj / Ogedoy / OLYVIA – stock.adobe.com
Im nachhaltigkeitsorientierten Cluster ist der Anteil Jugendlicher, die die Wasserwirtschaft als attraktiv bewerten, mit 53,9 % am höchsten. Die Angebote der Branche passen perfekt zu den Anforderungen der Jugendlichen. Allerdings ist der Anteil handwerklich-technisch interessierter Jugendlicher in diesem Cluster eher gering (17,3 %), deutlich mehr Jugendliche interessieren sich für ingenieurwissenschaftliche und naturwissenschaftliche Themen sowie Ausbildungsberufe im Bereich Informatik/IT.
Im heimatverbundenen Cluster ist das Interesse an der Wasserwirtschaft als Arbeitgeber mit 47,5 % ebenfalls sehr hoch. 30,5 % des Clusters sind handwerklich-technisch interessierte Jugendliche. Die Angebote der Wasserwirtschaft passen auch in diesem Cluster sehr gut zum Anforderungsprofil.
Wir haben mit Ulf Merkel, dem Projektleiter der BDEW-Jugendstudie über die Ergebnisse und Empfehlungen für die Wasserwirtschaft gesprochen. Hören Sie jetzt rein!
43,7 % der Jugendlichen aus dem Arbeitsinhaltscluster finden die Wasserwirtschaft als Arbeitgeber attraktiv. Potenzial für die Wasserwirtschaft liegt hier darin, ihre gesellschaftliche Bedeutung und ihre technische Innovationskraft zu kommunizieren.
Im Cluster „moderner Lebensstil“ sehen 41,7 % der Jugendlichen die Wasserwirtschaft als attraktiven Arbeitgeber an. Aufgrund der hohen Anforderungen an die örtliche und räumliche Flexibilität der Arbeit und den hohen Gehaltswünschen ist diese Gruppe wahrscheinlich nicht für alle Arbeitgeber der Wasserwirtschaft interessant.
Im größten Cluster mit den sicherheitsorientierten Jugendlichen ist der Anteil Jugendlicher, die die Wasserwirtschaft als attraktiv bewerten, mit 39 % im Vergleich am niedrigsten. Obwohl die Angebote der Branche sehr gut zu den Anforderungen der Jugendlichen passen: sicheres und planbares Arbeitsleben mit Entwicklungschancen in einem wertschätzenden betrieblichen Miteinander. Diese gute Vereinbarkeit muss die Wasserwirtschaft stärker kommunizieren.
Aufteilung der Interessen der fünf „Typen“, Quelle: prolytics, BDEW-Jugendstudie; Grafiken: lituspro / Faiaj / Ogedoy / OLYVIA – stock.adobe.com
Positiv ist das Ergebnis der Studie, dass die Unternehmen der Wasserwirtschaft den Jugendlichen nicht unbekannt sind und mehr als vier von zehn Jugendlichen eine Beschäftigung in der Wasserwirtschaft attraktiv finden. Dennoch ist die Ausgangslage für die Branche schwierig, da nur eine Minderheit der Jugendlichen eine konkrete Vorstellung von den Ausbildungsberufen und Studiengängen der Wasserwirtschaft haben.
Aus diesen Erkenntnissen lassen sich einige Handlungsempfehlungen für die Unternehmen der Wasserwirtschaft ableiten. So sind beispielsweise die speziellen Informationsangebote der Wasserwirtschaft eine Chance, mehr Nachwuchs für die Branche zu gewinnen. Das hohe Interesse der Jugendlichen an analogen Angeboten der Wasserwirtschaft sollte genutzt werden. Insbesondere die Vermittlung von Gesprächen mit Gleichaltrigen, die ihre Berufe vorstellen, Praktika und für Studierende die Vermittlung von Bachelor-/Masterarbeiten oder Werkstudierendenangeboten sollte ausgebaut werden.
Weiterhin ist es wichtig, die Jugendlichen nicht als homogene Gruppe zu sehen, sondern sie in Bezug auf ihre konkreten Anforderungen an Beruf und Arbeitgeber anzusprechen. Grundsätzlich sind für junge Menschen Karriere, Wohlstand und Work-Life-Balance wichtig. Sie sind bei der Wahl ihres Arbeitgebers weniger an ihren Wohnort, sondern eher an ihre Region gebunden. Alle weiteren Ergebnisse unterteilen sich gruppenspezifisch in die fünf Typen von Jugendlichen:
Für die Wasserwirtschaft ist die Ausgangslage in dem nachhaltigkeitsorientierten Cluster sowie in dem heimatverbundenen Cluster positiv. Die Angebote passen in beiden Clustern sehr gut zu den Anforderungen der Jugendlichen.
In der arbeitsinhaltlich orientierten Gruppe bewerten 43,7 % der Jugendlichen wasserwirtschaftliche Arbeitgeber als attraktiv. Hier muss die Wasserwirtschaft ihre gesellschaftliche Bedeutung und ihre technische Innovationskraft kommunikativ herausstellen sowie ihre Rolle als öffentliche Arbeitgeber (soweit zutreffend).
Aufgrund der hohen Anforderungen an die örtliche und räumliche Flexibilität der Arbeit und den hohen Gehaltswünschen ist die flexibilitätsorientierte Gruppe wahrscheinlich eher für größere Unternehmen, Ingenieurbüros und Verbände interessant.
Besonders kritisch ist, dass in dem großen sicherheitsorientierten Cluster lediglich 39 % der Jugendlichen die Wasserwirtschaft als attraktiv bewerten. Da die Angebote der Wasserwirtschaft sehr gut zu den Anforderungen dieser Jugendlichen passen, muss die Wasserwirtschaft ihre Stärken als Arbeitgeber, der ein sicheres und planbares Arbeitsleben mit Entwicklungschancen in einem wertschätzenden betrieblichen Miteinander anbietet, kommunizieren.
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