„Wir sorgen vor – gemeinsam!“

Kerstin Andreae BDEW
Foto: BDEW

Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, über den Fachkräftemangel, das Recruiting in Corona-Zeiten und gemeinsame Branchenaktivitäten zur Nachwuchssicherung.

Viele Unternehmen der Energie- und Wasserversorgung sind in besonderem Maße vom Fachkräftemangel betroffen, weil sie zu den Branchen mit dem höchsten Anteil an Erwerbstätigen kurz vor dem Rentenalter zählen. Den Unternehmen droht damit nicht nur ein großer Teil der Arbeitnehmer*innen wegzubrechen, sondern auch der Verlust von Erfahrung, Fachwissen und damit Qualität und Leistungsniveau. Wird diese Situation durch die Corona-Krise noch verschärft?

Es ist richtig, dass durch das Ausscheiden der sogenannten „Babyboomer“, also der geburtenstarken Jahrgänge der Jahre 1955 bis 1969, in den kommenden Jahren deutlich mehr ältere Menschen aus dem Arbeitsleben ausscheiden, als junge Arbeitnehmer*innen nachrücken. Das Arbeitskräftepotenzial wird also unweigerlich schrumpfen.

Bewerber*innen mit hoher Qualifikation und sozialer Kompetenz sind schon heute rar, egal ob im städtischen oder ländlichen Raum. Daher gilt es Antworten auf die Fragen zu finden, die sich junge Menschen als erstes bei der Berufswahl stellen: Welche Zukunftsperspektiven und welche Sicherheit bietet mir die Branche bzw. dieses Unternehmen? 

Und: Wie sinnvoll ist meine Aufgabe? Hier kann die Energie- und Wasserversorgungswirtschaft grundsätzlich punkten und sich deutlich von anderen Branchen abheben. Die Corona-Pandemie gibt uns jetzt die Chance, diese Vorzüge noch deutlicher nach außen zu kommunizieren.

Ein entscheidender Faktor ist, dass wir uns zusammentun und mit gemeinsamen Aktionen auf uns als innovative und zukunftsfähige Arbeitgeber aufmerksam machen.

Kerstin Andreae
Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung

Welche Chancen sehen Sie konkret?

Gerade jetzt in der Corona-Krise ist der Wert einer zuverlässigen und sicheren Energie- und Wasserversorgung für die Verbraucher*innen besonders spürbar. Dieses Momentum sollten wir nutzen, um auf die Leistungsfähigkeit unserer Branche und die Menschen, die in ihr arbeiten, aufmerksam zu machen. 

Es gilt, die Leistungen der Unternehmen greifbar zu machen, ihnen ein Gesicht zu geben und in konkreten Projekten und Praxisbeispielen die Bedeutung der Energie- und Wasserwirtschaft als Treiber wichtiger Innovationen aufzuzeigen. 

Mehr denn je haben wir jetzt die Chance, uns als krisensichere Arbeitgeber zu platzieren und genau die jungen Menschen für uns zu gewinnen, die wir sonst vielleicht gar nicht erreicht hätten. Gleichzeitig müssen wir aber auch genau hinsehen und den Ausbildungsmarkt im Auge behalten.

Gehen der Daseinsvorsorge die Leute aus?

Ohne die Wasserwirtschaft geht es nicht. Im Gespräch mit Martin Weyand vom BDEW.

Warum gerade den Ausbildungsmarkt?

Kurzarbeit, Insolvenzen und Betriebsschließungen werden sich auch auf den Ausbildungsmarkt auswirken. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass in diesem Sommer die Anzahl neuer Ausbildungsverträge signifikant sinkt. Das könnte nicht nur den Fachkräftemangel verschärfen, sondern gleichzeitig würde eine ganze Ausbildungsgeneration ihrer Zukunftschancen beraubt.

Was kann der BDEW und was können die Unternehmen tun, um dies zu verhindern?

Ein aus meiner Sicht entscheidender Faktor ist, dass wir uns zusammentun und mit gemeinsamen Aktionen auf uns als innovative und zukunftsfähige Arbeitgeber aufmerksam machen. 

Themen wie die Energiewende, Nachhaltigkeit, Trinkwasser- und Umweltschutz sowie das zunehmende Bewusstsein für die gesellschaftliche Bedeutung unserer Arbeit in der Energie- und Wasserwirtschaft – Stichwort „Daseinsvorsorge/Systemrelevanz“ – stehen hier für einen positiven Schub, den wir verstärkt nach Außen gegenüber potenziellen Jobsuchenden kommunizieren müssen. Nicht zuletzt deswegen unterstützen wir auch das Berufsweltenportal.

Und Sie haben eine bundesweite Imagekampagne gestartet. Mit welchem Ziel?

Richtig. Die Imagekampagne für unsere Mitgliedsunternehmen steht unter dem Motto „Wir sorgen vor“. Ziel ist es u. a. die emotionale Bindung der Verbraucher*innen an die Unternehmen der Energie- und Wasserwirtschaft zu stärken. 

Durch den Blick hinter die Kulissen und den damit verbundenen Einblick in die vielfältigen und spannenden Berufe erhoffen wir uns zudem positive Effekte auch für die Nachwuchskräftesicherung.

Welche Schwerpunkte sehen Sie für die zukünftige Entwicklung der Arbeitswelt in der Energie- und Wasserversorgung?

Im Mittelpunkt der zukünftigen Ausrichtung stehen die Themen Dekarbonisierung und Digitalisierung. Qualifizierte Nachwuchskräfte sind dafür ein entscheidender Erfolgsfaktor. Außerdem sind neue Inspirationen und Geschäftsmodelle gefragt. Start-ups setzen dabei Akzente und sind Wegweiser mit mutigen Ideen und zeitgemäßer Unternehmenskultur. 

Die digitale Arbeitswelt hat bei vielen Unternehmen der Energie- und Wasserversorgung durch Corona einen enormen Schub erhalten. Aus der digitalen Zukunft ist dadurch ein Stück weit Realität geworden. Der BDEW wird seine Mitglieder auch weiterhin auf diesem Weg unterstützen.

Gleichzeitig werden wir uns weiter dafür engagieren, gemeinsam mit unseren Mitgliedern den Fachkräftemangel zu bewältigen und so die Themen der Zukunft erfolgreich gestalten zu können. 

Wichtig ist zu verstehen, dass wir uns im Wettbewerb um junge Talente mit allen anderen Branchen messen müssen. Nur wenn es uns gelingt, potenzielle Nachwuchskräfte für unsere Berufe zu begeistern, können wir die zukünftigen Herausforderungen wie Dekarbonisierung und Digitalisierung erfolgreich meistern – und das gelingt uns am besten gemeinsam!

Frau Andreae, vielen Dank für das Gespräch!

Andere interessante Beiträge