Wissen für die Zukunft sichern: Die Aufgaben eines Wissensmanagers

Yanic Berthes ist Wissensmanager bei den Mainzer Stadtwerken: Er sorgt dafür, dass das Wissen der Fachkräfte, die in den nächsten Jahren in Rente gehen, für zukünftige Generationen erhalten bleibt.

Als Wissensmanager sorgt Yanic Berthes dafür, dass das Wissen, wie Aufgaben funktionieren, erhalten bleibt. Foto: Yanic Berthes, Mainzer Stadtwerke.

Wie sichern wir Wissen? Was tun, wenn immer mehr Fachkräfte in Rente gehen und das Wissen für bestimmte Arbeitsprozesse „verloren“ geht? Vor diesen Fragen stand auch Yanic Berthes. Der 28-Jährige arbeitet bei den Mainzer Stadtwerken als Wissensmanager. Er kümmert sich darum, dass das vorhandene Wissen der Mitarbeiter:innen auch für zukünftige Kolleg:innen zur Verfügung steht und jederzeit abgerufen werden kann. Doch wie wird man Wissensmanager?

Vom Azubi zum Wissensmanager

Alles hat mit dem Sport angefangen. Nach dem Fachabitur machte Yanic ein Bundesfreiwilligenjahr beim USC Mainz. Das gab ihm die Zeit und die Möglichkeit zu überlegen, wo er eine Ausbildung machen möchte.

Eine Trainerin des Vereins gab ihm den Tipp, sich bei den Mainzer Stadtwerken zu bewerben. „Sie arbeitet auch dort und weiß, was die Stadtwerke als Arbeitgeber bieten. Deswegen hat sie eine Ausbildung dort empfohlen. Es war nicht, weil ich konkrete Anforderungen hatte. Es war eine Herzensempfehlung!“, erzählt Yanic Berthes.

Er bewarb sich schließlich bei den Mainzer Netzen – einem Tochterunternehmen der Stadtwerke – für die Ausbildung zum Industriekaufmann.

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Das Coole an der Ausbildung zum Industriekaufmann bei den Mainzer Stadtwerken ist, dass man viele Abteilungen kennenlernt: Rechnungswesen, Marketing, Vertrieb, Personal – die Stadtwerke haben über 40 Tochtergesellschaften, dazu gehört auch die Mainzer Mobilität.
Yanic Berthes
Wissensmanager, Mainzer Stadtwerke

Die verschiedenen Abteilungen und unterschiedlichen Tätigkeitsbereiche haben Yanic gut gefallen. Er hatte die Möglichkeit, überall mal reinzuschnuppern, die Unternehmensprozesse, Aufgaben sowie die Kolleg:innen kennenzulernen. Das half ihm zum Ende der Ausbildung bei der Überlegung, welche Abteilung ihm am besten gefällt. Für Yanic war das der Bereich Digitalisierung, IT und Projekte: „Mir macht es Spaß, über Zukunftsthemen nachzudenken und das war damals die Abteilung, die sich damit beschäftigt hat.“

Nach der Ausbildung verstärkte er das SAP-Team und half Kolleg:innen aus anderen Abteilungen bei der Nutzung der Software zur Steuerung von Geschäftsprozessen.

„Ich habe etwa ein Jahr in dem Team gearbeitet, als ich mich entschied, berufsbegleitend BWL zu studieren, um mehr Möglichkeiten zu haben. Mein Arbeitgeber hat mich dabei unterstützt und einen Großteil finanziert und mir die Zeit zur Verfügung gestellt“, erzählt Yanic.

Der Studiengang an der Hochschule Mainz ist thematisch breit gefächert, sodass er seine bisherigen Kenntnisse in Digitalisierung, IT und Projektarbeit weiter vertiefen konnte und mit seinem erfolgreichen Bachelor-Abschluss immer mehr in die Rolle des Wissensmanagers reingerutscht ist.

Einstieg in das Wissensmanagement

Bereits kurz nach der Ausbildung hat Yanic festgestellt, wie viele Anfragen täglich beim SAP-Team eingingen:

„Über drei Monate haben wir die Anrufe getrackt und es kamen rund 600 Anrufe zusammen mit Fragen, wie dieses oder jenes in der Software funktioniert. Mit unseren anderen Aufgaben kamen wir gar nicht mehr hinterher und ich dachte, dass es etwas geben muss, um die SAP-Expert:innen zu entlasten. Bei meinen Recherchen bin ich dann auf eine Wiki-Software gestoßen, die zu unseren Anforderungen passte. Mir wurde dann relativ früh das Vertrauen und die Verantwortung übertragen, diese Software in das Unternehmen einzuführen. So bin ich im Wissensmanagement gelandet und Wissensmanager geworden.“

Eine Position, die es so bei den Mainzer Stadtwerken noch nicht gab und die extra für Yanic Berthes geschaffen wurde.

Neben seinem Beruf verfolgt Yanic eine große Leidenschaft: Leichtathletik. Um das miteinander zu vereinbaren, arbeitet Yanic in Teilzeit mit 30 Stunden die Woche.

Ein Vorteil sind da auch die flexiblen Arbeitszeiten, die ihm ein ausgewogenes Training ermöglichen: „Oft beginne ich meine Arbeit morgens um kurz vor acht, arbeite 2 bis 2,5 Stunden und fahre dann zum Training, bin dort 2 Stunden, komme zurück, esse noch was Kleines und arbeite die restlichen 4 Stunden“, fasst Yanic zusammen. Ein absoluter Pluspunkt für ihn, damit die Work-Life-Balance ausgewogen ist.

Der Beruf Wissensmanager

Den Beruf des Wissensmanagers gibt es schon länger. Spätestens mit dem Bewusstsein des Fachkräftemangels haben Unternehmen erkannt, dass das Wissen nicht einfach erhalten bleibt, sondern in Rente geht. Wenn Mitarbeiter:innen krankheitsbedingt ausfallen, das Unternehmen verlassen oder eben in Rente gehen, werden die Aufgaben von Kolleg:innen übernommen.

Das Wissen, wie manche Dinge funktionieren, muss geteilt werden, damit es zur richtigen Zeit am richtigen Ort verfügbar ist und die Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben.

Man merkt erst dann, dass man etwas tun muss, wenn es brennt.

Auch für Yanic Berthes war das die wesentliche Erkenntnis und warum er seine Aufgabe als Wissensmanager leidenschaftlich ausübt: „Meine Aufgabe ist es, Wissensinseln aufzubrechen, Wissen transparent zu machen, damit es für alle Mitarbeiter:innen zur Verfügung steht.“ In erster Linie war die Wiki-Software für den kaufmännischen Bereich (Vertrieb, Kundenservice und Projektmanagement) gedacht.

Doch schon bald stand Yanic vor einer großen Herausforderung: Für den technischen Bereich war die Software nicht praktikabel, da gerade die technischen Fachkräfte nicht jeden Tag am PC arbeiten bzw. nicht immer Zugriff auf einen PC haben. Da auch hier die Wissensweitergabe nicht unwesentlich ist, recherchierte Berthes gemeinsam in einem Projektteam von neuem – ohne Erfolg. Kein Tool schien für den technischen Bereich ausgelegt zu sein.

„Wir entdeckten kein Tool, was unseren Anforderungen entsprach, also entschlossen wir uns, eine eigene Software zu entwickeln“, berichtet Yanic, „Ziel und Aufgabe der Software ist es, technische Anleitungen möglichst einfach zu erstellen und abzulegen. So ist kapiro entstanden. Das Tool ist eine Marktlücke und deshalb haben wir uns als Mainzer Stadtwerke entschieden, auch an Dritte zu verkaufen.“

Auch das gehört dazu: Auf Fachmessen präsentiert Yanic Berthes gemeinsam mit seinen Kolleg:innen seine Arbeit. Foto: Yanic Berthes, Mainzer Stadtwerke.

Der Arbeitsalltag als Wissensmanager

 „Mein typischer Arbeitsalltag besteht ganz viel aus Kommunikation. Ich beantworte Fragen zum Wiki und bin mit Abteilungen in Gesprächen, die gerne für ihren Bereich ein Wiki anlegen möchten. Da unterstütze und berate ich“, fasst Yanic Berthes zusammen.

Ein großer Bestandteil seiner Arbeit ist dabei, Wissen zu organisieren: Was gehört in ein Wiki rein? Wie sieht die Struktur aus? Wer baut es innerhalb der jeweiligen Abteilung auf? Fragen, für die Yanic am liebsten persönlich mit den Leuten spricht:

„Ich bin viel in Terminen unterwegs und sensibilisiere für das Thema Wissensmanagement. Nicht jeder ist direkt überzeugt und das ist auch verständlich. Es ist eine zusätzliche Aufgabe neben dem operativen Tagesgeschäft der Kolleg:innen. Daher ist es umso wichtiger, dass ich die Leute überzeuge, ihre Zeit zu investieren, weil es sich langfristig lohnt und jeder davon profitieren kann.“

Die aktive Arbeitsphase beträgt meist zwei bis drei Monate, in der eine Grundstruktur angelegt wird. Danach ist es die Aufgabe der einzelnen Teams, sich regelmäßig um die Aktualisierung ihres Wissensbereiches zu kümmern.

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Wissensmanagement ist etwas, bei dem man selbst erkennen muss, wie wichtig das ist. Wenn niemand sagt, dass etwas gemacht werden muss, dann passiert das auch nicht. Was man aber auch nicht falsch verstehen darf. Die Abteilungen sind sowieso schon in ihrem operativen Geschäft ausgelastet.
Yanic Berthes
Wissensmanager, Mainzer Stadtwerke

Neben den Teams, die selbst auf Yanic zukommen, kontaktiert er auch selbst ganz gezielt Abteilungen und bietet seine Ressource an, um Probleme mit Wissensverlusten zu verhindern. „Das sind oft Leuchtturm-Effekte. Wenn es bei der einen Abteilung gut klappt, weiß ich, dass sich in zwei bis drei Wochen eine verwandte Abteilung bei mir meldet“, schmunzelt Yanic.

Trotzdem ist das Wissensmanagement noch nicht in alle Bereiche durchgedrungen. Deshalb arbeitet Yanic gerade auch an einer Strategie, die über das gesamte Unternehmen ausgerollt werden kann.

Ganz allein ist Yanic dabei nicht. Mittlerweile hat er sich ein Team aus Multiplikatoren zusammengestellt, die in den verschiedenen Gesellschaften unterstützen. Ein Vorteil für Yanic ist definitiv, dass er während der Ausbildung in vielen Abteilungen persönlich gearbeitet hat:

„Ich nutze Kontakte, die ich während der Ausbildung aufgebaut habe. Ich arbeite seit neun Jahren bei den Stadtwerken und das führt zu Verbundenheit und Vertrauen. Meine Kolleg:innen wissen, dass ich helfen möchte. Die Ausbildung war der Türöffner“, erklärt Yanic.

Ein Ende ist für Yanic Berthes auch noch lange nicht in Sicht: „Meine Arbeit wird weiter sein, das Wissensmanagement zu einem festen Bestandteil im Unternehmen zu machen. Was man auch nicht unterschätzen darf: Es kommen immer wieder neue Technologien hinzu und entwickeln sich weiter. Es ist ein cooles Gefühl und ich bin gespannt, was noch auf uns zukommt.“

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