Trinkwasser nutzen wir jeden Tag, doch wie wird eigentlich eine ganze Stadt zuverlässig mit Trinkwasser versorgt? Diese und mehr Fragen haben wir vier Wasserwerkern der Stadtwerke Neuss gestellt. Das vierköpfige Team gewinnt Grundwasser aus Brunnen, bereitet es zu Trinkwasser auf und kümmert sich um die Qualitätssicherung bis zur Verteilung des Trinkwassers ins regionale Netz. Und das ist nur ein kleiner Teil der Aufgaben, die täglich anfallen.
Zwei Uhr nachts – das Telefon klingelt: Der gesamte Strom im Norden von Neuss ist weg. Das betrifft auch das Wasserwerk Broichhof. Bei Markus Haas klingeln alle Alarmglocken. Er hat heute Bereitschaftsdienst und weiß: Jetzt muss er schnell handeln, damit die Versorgungsanlage wieder in Betrieb geht.
Um die Wasserversorgungsanlage wieder in Betrieb zu bringen, ist „schnell“ jedoch Auslegungssache. Immerhin müssen sechs Förderbrunnen und drei Filterstraßen in der Aufbereitungsanlage wieder aktiviert werden – und das manuell, weil ja der Strom weg ist.
Vielleicht bekommen einige Bürger:innen den Stromausfall mitten in der Nacht sogar mit. Dass auch die Wasserversorgung davon betroffen ist, werden sie allerdings nicht bemerken. Denn die übernimmt im Notfall die Wasserübernahme Neuss Wahlscheid im Süden der Stadt. Durch einen Notwasserverbundschacht wird das Trinkwasser nun in das Rohrnetzsystem im Norden geleitet.
Fast acht Stunden später: Der Strom ist wieder da, die Anlage läuft wie gewohnt. Mittlerweile sind auch die Kollegen von Markus Haas auf der Anlage eingetroffen: Der 51-jährige Markus Töller ist schon seit 1989 bei den Stadtwerken Neuss und der „alte Hase“ des Teams. Nach seiner Ausbildung als Ver- und Entsorger mit der Fachrichtung Wasserversorgung (heute Umwelttechnologe für Wasserversorgung) wurde er anerkannter Trinkwasser-Probenehmer und machte die Weiterbildung zur Elektrofachkraft für festgelegte Tätigkeiten.
Hier kannst du den Wasserwerkern aus Neuss bei der Arbeit über die Schulter schauen.
Zum Team gehören auch noch zwei Anlagenmechaniker für Rohrsystemtechnik: Suat Suer und Torsten Wilke, 42 und 34 Jahre alt. Wie Markus Töller dürfen auch sie Wasserproben entnehmen und haben die Schulung zur Bedienung des Krans gemacht. Den brauchen sie, um beispielsweise einen Brunnen aus 30 Meter Tiefe zu holen.
Im Unterschied zu Markus Haas, der als ausgebildeter Elektroniker für Betriebstechnik für die Wartung und Instandhaltung der elektrotechnischen Anlagen verantwortlich ist, sind Suer und Wilke elektrisch unterwiesene Personen. Das bedeutet, dass sie bestimmte elektrotechnische Aufgaben unter Aufsicht einer Elektrofachkraft ausführen dürfen. Markus Haas ist seit 1998 bei den Stadtwerken für die Betreuung der elektrischen Anlagen zur Wassergewinnung und Wasseraufbereitung zuständig.
Alle Infos zu den Aufgaben in diesem Beruf, die Voraussetzungen, das Gehalt und Weiterbildungsmöglichkeiten findest du im Steckbrief zur Ausbildung als Umwelttechnologe für Wasserversorgung.
Das vierköpfige Team setzt sich aus verschiedenen Generationen zusammen, dennoch einen sie dieselben Wünsche bei ihrer Berufswahl: ein Beruf im Handwerk und eine Arbeit, die vielseitig ist und nie langweilig wird.
Markus Töller erzählt, wie vielseitig seine Ausbildung war: „Meine Lehre hat sich im Grunde aus drei Ausbildungen zusammengesetzt: Schlosser, Installateur, Laborant. Überall habe ich ein bisschen Grundwissen mitgenommen, das mir bis heute hilft, die Wasserversorgungsanlagen zu betreuen.“
Für Suat Suer war die Ausbildung zum Anlagenmechaniker zwar nicht der erste Berufswunsch, aber er bereut es keinen Tag. Ihm gefällt besonders, wie flexibel er sich seine Aufgaben einteilen kann: „Wenn das Wetter gut ist, dann gehe ich die Brunnen ab und mache mehr Aufgaben im Freien. Bei schlechtem Wetter übernehme ich Aufgaben, die ich drinnen erledigen kann.“
Auch Torsten Wilke hat die Ausbildung zum Anlagenmechaniker gemacht, allerdings ein paar Jahre später als Suat Suer und das machte sich vor allem in der Abschlussprüfung bemerkbar: „Meine Abschlussprüfung war mehr an den Ausbildungsbetrieb orientiert und damit sehr viel praxisgerechter als die vorherigen Prüfungen.“, erzählt Torsten Wilke.
Hier setzt du dich für nachhaltigen Umwelt- und Ressourcenschutz ein. Mehr über diese Berufe erfährst du auf unserer Themenseite zum Berufsfeld Umwelt- und Naturschutz.
Gemeinsam sichern sie die Qualität des Trinkwassers, indem sie die Brunnen, Pumpen und Anlagen kontrollieren: „Wir machen regelmäßige Touren über die Anlagen. Mittlerweile kann jeder von uns schon an der Geräuschkulisse hören, ob alles okay ist. Wenn man dann irgendetwas hört, was da nicht hingehört, fangen wir natürlich direkt an zu suchen. Wir tauschen Schieber und Klappen aus und machen die Einstellarbeiten. Das ist schon sehr umfangreich.“, erzählt Markus Töller. Jeder im Team kennt sich mit den Anlagen aus und kann sie im Notfall auch per Hand bedienen, das ist enorm wichtig, wenn ein Notfall wie der Stromausfall von letzter Nacht eintritt.
Früher waren die Werke 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche besetzt. Heute läuft alles automatisiert und Wasser-, Strom- und Gasnetz werden zentral überwacht. Wenn etwas passiert, wird der jeweilige Bereitschaftsdienst informiert. Bei größeren Einsätzen unterstützen sich die verschiedenen Bereitschaftsdienste gegenseitig, um die Störung schnell zu beheben. Das oberste Ziel lautet immer, die Versorgung der Haushalte zuverlässig und dauerhaft zu sichern.
Neben den Wasserversorgungsanlagen unterstützt das Team auch das Tochterunternehmen Neusser Bäder- und Eissporthalle GmbH und ist entsprechend in den Kältemitteln geschult. Tritt hier ein Problem auf, können sie als zusätzlicher Mann dazukommen. „Also es kommt schon ein bisschen mehr dazu als das bisschen Wasser, was wir nebenbei machen,“ fasst Markus Haas scherzhaft zusammen. Doch genau das gefällt Haas an seinem Beruf am meisten: Die Abwechslung und die Tatsache, dass man in vielen Bereichen eigene Ideen einbringen kann.
Doch wie läuft so ein typischer Tag auf einer Wasserversorgungsanlage? Das kommt auf die Anlage an, erzählen die vier Männer: „In der Denitrifikationsanlage beispielsweise wird über drei Filterstraßen das Nitrat im Wasser abgebaut und in der angeschlossenen Enthärtung die Härte aus dem Wasser geholt. All das muss betreut und gewartet werden. Außerdem müssen wir hier regelmäßig Wasserproben entnehmen und prüfen, ob die Filterstraßen ordnungsgemäß funktionieren.“
Ursprünglich wurde die Denitrifikationsanlage mit einer Lebensdauer von 30 Jahren errichtet, um das Wasser durch Bakterien vom Nitrat zu befreien. Nitrate sind Mineraldünger, die in der Landwirtschaft zum Düngen verwendet werden und dadurch in das Grundwasser gelangen. In der Aufbereitung von Grundwasser zu Trinkwasser sind die Filterprozesse in der Anlage unbedingt erforderlich, damit keine Nitrate in den Trinkwasserkreislauf gelangen.
Besonders weil es sich bei Wasser um das Lebensmittel Nr. 1 handelt, sind Kontrollen, Qualitätssicherung und schnelles Handeln unerlässlich. „Die Messlatte ist durch die Trinkwasserverordnung sehr hochgesteckt. Da ist viel Technik und Wissen nötig, damit sichergestellt ist, dass das Trinkwasser immer in bester Qualität geliefert wird“, berichtet Torsten Wilke.
Bei vier Wasserversorgungsanlagen mit unterschiedlichen Anforderungen bedeutet das vor allem eins: viel unterwegs zu sein. Jeder Tag bringt andere Aufgaben mit sich und wenn ein Notfall oder eine Störung auftritt, müssen die laufenden Arbeiten unterbrochen werden.
Der Job, den diese vier Männer machen, gehört zu den wichtigsten in der Daseinsvorsorge. Doch auf die Frage, ob ihre Arbeit in der Gesellschaft ausreichend Wertschätzung erfährt, schütteln sie den Kopf. „Dass Trinkwasser zuverlässig aus dem Wasserhahn kommt, ist hier in Deutschland selbstverständlich. Die Arbeit und der große Aufwand, den es dafür braucht, sind den wenigsten bewusst“, sagt Markus Töller. Trotzdem sind sich alle vier einig: Jeder von ihnen würde sich immer wieder für diesen Job entscheiden.